CARL SEIFERTS LETZTES BILD – BLAU DIE FARBE DER HOFFNUNG

Am Bootssteg, Öl auf Holz, 39 x 30,5 cm

Am Bootssteg, Öl auf Holz, 39 x 30,5 cm

Aus gegebenem Anlass möchte ich kurz das letzte Bild kommentieren, das Carl Seifert etwas behelfsmäßig auf eine Pressspanplatte gemalt hat, nachdem er aus Leipzig zu uns nach Münster übergesiedelt war, um seine letzten Lebensjahre bei uns zu verbringen. An seinem Lebensabend hat er ein Bild gemalt, in dem man Morgenluft wittert.  An diesem seidigen, kühlen Blau kann ich mich nicht leicht sattsehen, weil es so lichtvoll ist.

Das Bild ist auch deshalb so erstaunlich, weil in den Jahren zuvor Carl Seiferts Sujets immer kleinbürgerlicher geworden waren, mit einer immer  schummrigeren Palette gemalt. In der DDR wurde vieles, was nicht in den Kram passte, als kleinbürgerlich klassifiziert. Aber wie mein Vater nach seinem letzten Besuch in Leipzig  traurig bekannte, malte sein Vater nur noch Bilder „für kleine Leute“.

Und dann dieser einfache, wackelige Bootssteg und die lässig hingelehnte Gestalt. Das ist er selbst: gefühlte 30 Jahre alt. Wartet auf die große Reise, die Überfahrt. Der Zeitgeist in unseren Breiten hat die Tendenz, an ein Leben nach dem Tod nicht mehr zu glauben. Nach etlichen Jahrzehnten materiellen Wohllebens ist das höchste der Gefühle, sich wie ein alttestamentlicher Patriarch satt an Jahren zur Ruhe legen zu können. Man tendiert dazu, schon vor dem Tod spirituell zu verdämmern. Hier sehen wir das Alternativprogramm: ein greiser Jungmann.