DIE LANDSCHAFTSAQUARELLE CARL SEIFERTS

In der Vorbereitung dieses Artikels habe ich mich dem zweifelhaften Vergnügen unterzogen, mich einmal im Internet umzutun, was da an Landschaften in Wasserfarben veröffentlicht ist. Obwohl ich Eingaben in allen wichtigen westlichen Sprachen gemacht habe, ist der Eindruck einigermaßen einheitlich. Interessant wäre noch, slawische Sprachen einzugeben. Nur sind die mir leider gar nicht geläufig.

Von den überall vertretenen skrupellosen Freunden der Farbenfreude muss man nicht eigens reden. Generell kann man sagen, dass Seiferts Aquarelle sich durch Sparsamkeit und Geschlossenheit der Vision auszeichnen. Er lädt sich vergleichsweise sehr wenig auf den Teller.

Seifert war Eidetiker und hat Landschaften nie Pleinair gemalt, weil er, wie er sagte, Zeit zum Ein- und Ausatmen der Landschaft brauchte. Er malte also eine Landschaft erst, wenn sie vor seinem inneren Auge wieder erstand.  Das berühmteste Beispiel für diese Art des Umgangs mit Landschaft war Caspar David Friedrich.  Mit dem ist er immer wieder mal verglichen worden.  Nur hat Seifert von vorne herein sehr viel kleinere Brötchen gebacken. Während bei Friedrich kahle, knorrige Eichen in stummer Verzweiflung die Hände gen Himmel recken, sind es bei Seifert junge Bäumchen, die „früh gereift und zart und traurig“ zu einem Leitmotiv seiner Landschaftsmalerei wurden.

Landschaft mit runder Wolke 33,5 cm x 24 cm

Landschaft mit runder Wolke 24 x 33,5 cm

Zusammen mit im Hintergrund dunkel verschwimmenden Bäumen und Büschen gehörten sie eine Zeit lang zum ständigen Mobiliar seiner Aquarelle.  Obwohl selbst rechtschaffen unmusikalisch, hatte ich mich als Jugendlicher erkeckt über die „musikalische Struktur“ dieser Bilder zu spekulieren. Man findet es nicht unwahrscheinlich, dass er dazu am Klavier improvisiert hat: die dünnen Bäumchen entsprechen der rechten, die dunklen Büsche der linken Hand.

Herbstlandschaft, 31,5 cm x 23 cm

Herbstlandschaft, 23 x 31,5 cm

Aus dem gleichen Jahr (1935) stammt dieses Herbstbild, einmal ohne kahle Bäumchen.- Die herbstlich braunen Bäume tanzen aus der Reihe, repräsentieren ein letztes, mattes Aufbäumen herbstlicher Farben, dem das lautlose Echo einer Wolke antwortet: ein poetischer Gedanke.

Das Bild ist so abstrakt, dass sich die Experten nicht ganz einig sind, ob wir im Vordergrund eine Sandlandschaft vor uns haben oder vielleicht schon den ersten Schnee, durch den die gefrorene Ackerkrume hindurch scheint.

Zartblau, 39 cm x 27 cm

Zartblau, 27 x 39 cm

Selbstverständlich sind die Bäumchen nicht immer kahl. Hier finde ich die Grazie bezaubernd, mit der sie zueinander stehen.  Für die etwas heiterere Stimmung des Ganzen ist die zartblaue Zone am Horizont wichtig. Und überhaupt: auf engstem Raum so viel davon – Raum!

Man möchte vor dem Bild emphatisch ausrufen: Kommt alle zu mir, die ihr vor lauter ausgelassener Farbenfreude bei, sagen wir, Franz Ackermann nicht mehr wisst, wo euch der Kopf steht, ich werde euch erquicken.

Birken im Dunst, 24,5 cm x 31,5 cm

Birken im Dunst, 31,5  x 24,5 cm

Hier noch zwei hochformatige Aquarelle, die leider stark vergilbt sind und die der Künstler selbst sehr schätzte.  Auch sie sind aus dem Jahr 1939 und nach einer mehrtägigen Bootsfahrt mit einem Freund auf irgendeinem Fluss in Mitteldeutschland zwischen Leipzig und Berlin entstanden. Um herauszufinden, um welchen Fluss es sich handelte, wären aufwändigere Recherchen notwendig, und ich weiß nicht, ob sich das lohnte.

Als Carl Seifert diese Bilder nach vielen Jahren in unserem Hause wieder sah, sagte er mir, es sei „heiliger Geist“ darin, man könne um die Bäume herumgehen. Die Präzision mit der die Binsenbänke,  das Wasser und die Bäume imaginiert sind, hat etwas Faszinierendes. Heute (damals nicht) kann man ähnliche Effekte in der Fotografie erreichen. Aber gemalt schlägt diese Art von „Wahr-scheinlichkeit“ ganz anders in den Bann.

Die Düne, 24 cm x 30,7 cm

Die Düne, 30,5 x 24 cm

Mein Neffe bemerkte vor diesen beiden Bildern ganz richtig, dass da ja fast nichts drauf ist.  Eben dies ist die Einladung zum konzentrierten Sehen. Glücklicherweise kann man in diesem Blog die Bilder so wunderbar vergrößern!  Die Tatsache, dass sich im Wasser die Pflanzen darüber so unerwartet spiegeln, ist fast eine Einladung zur philosophischen Reflektion. Es war vielleicht eine Tendenz, dass mit der Zeit das Poetische, Stimmungsmäßige zurücktrat und die reine Räumlichkeit für Seifert zur Hauptsache wurde.

Flusslandschaft, 47 cm x 34 cm

Flusslandschaft, 34 x 47 cm

Das ist eine spätere Flusslandschaft, wahrscheinlich aus den 50er Jahren, die technisch auch brillant ist, aber nicht mehr so ganz den eigenen Ton trifft.                                                          Peter Seifert jun.

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