Die Weihnachtskrippe von Grete Tschaplowitz Seifert

Im Zusammenhang mit dem Wikipedia-Artikel zu Grete Tschaplowitz, der behauptet, sie habe sich künstlerisch von der nationalsozialistischen Propagandamaschinerie einspannen lassen, soll hier zur Sprache kommen, wie sie, deren künstlerisches Interesse hauptsächlich der Porträtplastik galt, dazu kam, Hitlerköpfe herstellen zu müssen. Den Parteigenossen war sie aufgefallen, weil sie einen geharnischten Leserbrief an den Stürmer geschrieben hatte wegen der antisemitischen Verhetzung schon der Volksschüler in ihrer Sommerfrische im oberpfälzischen Mähring, von der sie erfahren hatte.

Die Krippenfiguren, die die Künstlerin in der DDR-Zeit geschaffen hat, haben wir hier bislang noch nicht eingeführt. Unser Vater hat sie „für die Enkel“ farbig gefasst, was den Blick darauf etwas verstellt, dass hinter ihnen ein künstlerischer Anspruch steht. Doch in gewisser Weise nähert sich die „Kindlichkeit“ den Intentionen der Künstlerin. In einem Brief am 6. 12. 1954 redet sie ihrem Sohn ins Gewissen, der neben der Schule noch weitere Projekte verfolgt: eine Promotion und ein Buch, wohl eine Streitschrift zur zeitgenössischen modernen Kunst: „Du landest nirgends!!“ „Die abstrakte Kunst heißt jetzt: ‚die absolute Kunst‘!!!!!!! Was willst Du gegen

Absolutheit! (…) ‚Organisieren des Unbewussten‘ war 1919 das Schlagwort, über das ich damals

lachen konnte. Das Rätselraten ist ein neues-altes Spiel seit Anfang des Jahrhunderts. Und die

Spielregeln sind höchst einfach – wenn man will! Mystisches Überbieten. (…) Nein, hier feiert

geistiger Hochmut und Snobismus Triumpfe!!“(…) Ich meine fast, man müsste nicht in den

‚geistigen‘ Kreisen anfangen, mit geistigen Mitteln, sondern von unten auf in den Kreisen der

wirklich Naiv-Gläubigen.“

Bei dem jugendlichen Hirten mit dem Lämmchen auf den Armen habe ich den Eindruck, sie habe in ihm einen jungen, edlen Juden gestalten wollen, eine Art ästhetische „Wiedergutmachung“ der niederträchtigen Judenkarikaturen im Stürmer. Ich habe versucht dieser Figur mich anzunähern, obwohl die vorhandenen Fotos dafür nicht sehr geeignet sind. Peter Seifert


Junger jüdischer Hirte I