GRETE TSCHAPLOWITZ-SEIFERT ALS MALERIN

Selbstbildnis, Öl auf Holz,  27cm x32 cm

Selbstbildnis, Öl auf Holz, 32 x 27 cm

Das Bild stammt wohl noch aus den 20er Jahren und wurde familienintern nur „die wüste Gobi“ genannt. Die Spachteltechnik hat die Künstlerin auch später beibehalten, aber nie mehr so „wild“ verwendet wie hier. Wahrscheinlich wollte sie das weibliche Problem, schön sein zu wollen oder zu sollen, ein für alle Mal vom Tisch fegen.  Ihre Mutter war eine ausgesprochene Schönheit. Sie hatte von ihr die großen, dunklen und so sanft scheinenden Augen geerbt.  Auch davon ist hier nicht viel zu sehen, dafür glimmende Glut.

Sie selbst sprach vor diesem Bild von ihrer „Erdhaftigkeit“, und die gehörte wohl tatsächlich zu ihr. (Eine für sie typische Pointe: Was ist das? Fängt mit Po an und braucht viel Papier.- Ein Poet!)  Trotz der offensichtlichen Nähe zum Expressionismus möchte ich auf etwas hinweisen, was ich den „Blick der alten Meister“ nenne, einen unauffälligen Blick, der aus der Tiefe kommt und in die Tiefe geht, und dem jede Exaltation fremd ist. Bei Rembrandt, Rubens, Velazquez und vielen anderen findet man ihn.

Ihr wüstes Aussehen erinnert mich an eine Anekdote aus ihrer Jugendzeit. Sie habe angeblich bei einer Zugfahrt, als sie ein Abteil für sich und eine später zusteigende Freundin frei halten wollte, zu einer ausgefallenen Methode gegriffen: sie zerraufte sich die Haare, riss die Augen auf und schaute wild schielend aus dem Abteil. Man kann sich vorstellen wie potentielle Platzanwärter verschreckt zurückzuckten. Ich muss gestehen, dass mich die Art des Humors verwandt berührt: die Drastik der inszenierten Situationskomik (An ihr ist sicher eine Schauspielerin verloren gegangen und auch in gesetzteren Jahren war sie immer wieder zu practical jokes, schauspielerischem Schabernack aufgelegt!) und ihre psychologische Dimension.  Allerdings ist da auch das Elitäre, Exklusive, der intensive Wunsch, von Otto oder Otti Normalverbraucher bitte in Frieden gelassen zu werden. Aber vielleicht muss man dieses Verhalten bei einem Backfisch nicht überbewerten.

Ernestine Stark, Öl auf Pappe, 37,5 cm x 47,5 cm

Ernestine Stark, Öl auf Pappe, 47,5  x 37,5 cm

Leider wissen wir vorläufig sehr wenig über die porträtierte Frau. Ich meine mich zu erinnern, von meiner Großmutter gehört zu haben, das sei das Porträt einer Freundin. Brieflich sinnierte sie einmal darüber, dass all ihre Freundschaften mit Ostdeutschen gewesen seien. Das Herbe, Dunkle, Schwere, Schwermütige würde auch im vorliegenden Fall dafür sprechen.

„Feundschaftsathlet“ war eine von ihr geprägte Formulierung, die  sicher nicht zuletzt auf sie selbst zutraf. Mein Vater erzählte wiederholt davon, dass sie besonders auf jüngere Frauen eine starke Anziehung ausübte. Ich vermute, weil sie für Frauen, die nach Modellen der Emanzipation suchten, ein überzeugendes Beispiel war:  Sie war sehr selbstständig, vor allem auch geistig selbstständig, höchst resolut und hatte doch etwas sehr Feminines. Sie hatte viel von der „heftigen Zärtlichkeit“ ihrer Mutter geerbt. Das gehörte zu ihrer slawischen Seite, die ein Grund dafür war, dass sie mit dem in dieser Hinsicht doch anders gelagerten westfälischen Anteil unserer Familie etwas Mühe hatte.

Herbert Noll, Öl auf Pappe, 65 cm x 35 cm

Herbert Noll, Öl auf Pappe, 35 x 65 cm

Irgendwann in den 30er Jahren malte sie den Husumer Gelehrten Herbert Noll, der inmitten der ringsum ansteigenden Flut des Rassenwahns Nachforschungen darüber anstellte, wie die Maya Sonnenfinsternisse verzeichnet haben.

Kinderbildnis, Öl auf Holz, 30 cm x 37 cm

Kinderbildnis, Öl auf Holz,
37 x 30 cm

Kinderbildnisse als Plastiken hat die Tschaplowitz wiederholt geschaffen, aber diese fragend schauende Kleine ist das einzige mir bekannte von ihr gemalte Porträt eines Kindes. Die Künstlerin ist wieder zur Spachteltechnik  zurückgekehrt und ich vermute, das Bild ist in den 50er Jahren entstanden. Verschiedene Eigentümlichkeiten, vor allem wie der Hintergrund gemalt ist, lassen Zweifel an der Zuschreibung aufkommen. Wir nehmen das Bild dennoch hier auf.

Aus der Naumburger Wohnung meiner Großmutter habe ich noch andere von ihr gemalte Bilder in Erinnerung, vor allem ein poetisches Phantasiebildnis ihres Ahnen Carl Heer. In unserer Wohnung in Münster hing lange Zeit ein fast monochromes und einigermaßen erschütterndes Bildnis ihres Mannes Carl Seifert, das wohl unmittelbar nach dem Krieg entstanden sein muss. Ich hoffe, diese Bilder mit der Zeit ausfindig machen und hier veröffentlichen zu können.                       Peter Seifert jun.

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